Praxis

für seelische Gesundheit

2. Vereinbarung mit mir selbst

für die nächsten 24 Stunden

Nur für heute wünsche ich mir die Freiheit, einen neuen Lebensweg zu gehen. Ich werde den alten Weg aufgeben, auch wenn es sich so anfühlt, dass ich dadurch sterben müsste.

Die Kapitulation vor meinen eigenen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen ist die eine Sache und meine alten Verhaltensweisen durch neue zu ersetzen ist eine andere. Mal ist es der Schweinehund in mir, der überwunden werden muss, mal mein kranker Stolz, der nicht loslassen möchte, ein andern Mal ist es die Macht der Gewohnheit, oder die Angst vor dem Ungewissen. Vielleicht ist da auch noch die Krankheit, die nicht möchte, dass ich ihr das Wasser abgrabe.

Es gibt also sehr viele Gründe alles so zu belassen, wie es ist. Schließlich kenne ich diesen Zustand sehr genau und habe zahlreiche Verhaltensmuster erlernt, mit denen ich mich über Wasser halte. Alles unter Kontrolle zu haben, verschafft mir sogar eine Art Befriedigung. Wenn da nur nicht diese scheiß Depressionen wären.

Ich habe noch keinen erlebt, der sich freiwillig ändert. Auch ich bin keine Ausnahme. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass der Mensch hauptsächlich über Schmerzerfahrung lernt. Solche Erfahrungen werden ins Gedächtnis regelrecht eingebrannt. Das kann ich nur bestätigen.

Am Anfang des neuen Weges kommt die Kraft aus dem Leidensdruck. „Wir müssen leiden, um gesund zu werden“, steht in einem schlauen Buch. Wichtig für mich ist, das Gefühl von Leid als eine positive, heilende Kraft wahrzunehmen, die mich auf meinem Genesungsweg unterstützen möchte. Denn bisher kannte ich Leid nur als bittere, zerstörende Erfahrung aus meiner Kindheitsgeschichte.

Leid bleibt aber Leid und fühlt sich sehr, sehr schmerzlich an. Mehr als einmal hatte ich das Gefühl, bei lebendigem Leibe zugrunde zu gehen. Und tatsächlich, ein Teil von mir, nämlich der kranke Teil, stirbt regelrecht ab. „Und das soll Genesung sein?“, habe ich mich damals gefragt.

Später ist es einfacher. Die Kraft, um mein Leben zu verändern, hat neue Quellen gefunden. Nie hätte ich gedacht, dass mich pure Neugierde dazu verleiten könnte, meine Angst zu überwinden. Auch Mut war mir als Antriebsenergie an mir nie aufgefallen. Oder „mir zuliebe“ etwas verändern, hat es in meiner destruktiven Zeit nie gegeben.

In meinem Leben darf es mir auch gut gehen und es gilt der Leitsatz: „Glück stellt sich ein, wenn ich mit mir in Frieden lebe“. Aber es liegt an mir, aktiv für mich zu sorgen. Und meine Genesung ist recht schnell zu Ende, wenn ich wie Dornröschen darauf warte, dass jemand kommt und mein Leben verändert. Selbst Gott tut dies nicht für mich.